Lieder ohne mich – Roger Stein

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Lieder ohne mich – Roger Stein

Geschichten sind der Boden, auf dem meine Lieder wachsen, sagt Roger Stein. Manchmal liegen diese offen, manchmal verbergen sie ihre Verletzlichkeit zwischen den Zeilen – und manchmal erzählen sie sich von alleine. Die Lieder werden selbstständig, schon während sie entstehen, erklärt Stein. Irgendwann machen sie, was sie wollen und ich kann sie nicht mehr aufhalten. Ja, es gibt sie noch – die Singer-Songwriter, die alles selber machen und sich nicht dreinreden lassen. Roger (franz. ausgespr.) Stein schreibt nicht nur Texte und Musik selbst, sondern macht auch die Arrangements und Aufnahmen seiner Lieder im eigenen Studio. Alles Roger, wie er schmunzelnd sagt. Bereits vier Alben hat er mit seinem Projekt Wortfront veröffentlicht, das er mit Sandra Kreisler 2006 gegründet und mit dem er schon über 200 Konzerte gespielt hat. Nun präsentiert er mit Lieder ohne mich sein erstes Solo-Album. Dass er diese auf Konstantin Weckers Label Sturm und Klang veröffentlicht, freut ihn ganz besonders: Wecker ist und war immer ein Fixstern für mich, sowohl künstlerisch, als auch menschlich, so Stein. Roger Stein ist Sänger, Songwriter, Pianist und Erzähler zugleich – aber vor allem ist er Poet, schafft er es doch, Schmerz und Melancholie in Wärme und Leichtigkeit zu hüllen und damit der Tragik die Kälte zunehmen. Wie? Indem er der Wirklichkeit mit Humor entgegentritt. Humor ist das letzte Mittel, so Stein, mit dem man gegenüber dem Schmerz Würde bewahren kann. Es sind nicht die Schönwettergeschichten, die sich in seinen Liedern widerspiegeln, im Gegenteil. Er ist unmittelbar, ehrlich, persönlich und schonungslos zugleich. Es ist ein leiser Humor, der sich durch die Erzählweise der Geschichten zieht und der jeder Tragik eine kleines, aber entschiedenes Trotzdem entgegen setzt. Ein bisschen naiv, ein bisschen trotzig, ein bisschen spottend, aber immer im Glauben an das Gute erzählt Stein seine Geschichten auf dem Album Lieder ohne mich. Zum Beispiel die von Alfred, dessen Leben in strahlendem Postkartenblau erscheint, bis er sich in einen Mann verliebt, oder das Klassentreffen, wo er scharfzüngig das Wiedersehen mit einer Jugendliebe beschreibt: Enttäuscht darüber, dass diese damals einen anderen geheiratet hat und gleichzeitig froh, dass alles so gekommen ist, wie es ist. Manchmal verselbstständigen sich die Geschichten in seinen Liedern so sehr, dass sie jegliche herkömmliche musikalische Form sprengen. So erzählt er in dem über acht Minuten langen Lied 1890 (Berner Oberland) eine Familiengeschichte über ein Jahrhundert und zwei Weltkriege hinweg. Der kleine Junge, der am Ende verständnislos in die Welt blickt, ist er selbst, denn es ist seine eigene, ganz persönliche Familiengeschichte. Gleichzeitig wird deutlich, dass Stein sich nicht von konventionellen Liedformen einengen lässt. Die Lieder gehen ihren eigenen Weg – auch wenn dieser Weg manchmal unkonventionell ist. Und immer sind Steins Texte von einer poetischen Sprache durchdrungen. Einer Sprache, die mit blitzenden Formulierungen am Hirn vorbei fadengrad ins Herz zielt.

Sturm & Klang

015

Veröffentlichungsdatum

27.09.2013